„Pessimismus“ ist der zweite Vorname dieser Seite ist und dazu gibt es keinen Grund. Vielleicht. Denn die Kombination aus Wissenschaft und Kapitalismus freier Marktwirtschaft wird alles zum Guten wenden. Das Beste: Es geschieht zwangsläufig! Denn „der Markt“ fordert Lösungen, durch die Kohlenstoff-Emissionen bis zum Jahr 2035 um 90% reduziert werden. Nicht durch Co2-Abgaben und staatliches „Nudging“, nicht durch Nullwachstum und „Veganuary“, sondern einfach deshalb, weil bereits vorhandene alternative Technologien wesentlich höhere Renditen versprechen als die derzeit genutzten.
Die Prognosen des US-Amerikanischen Think-Tanks RethinkX klingen zu schön und können doch wahr sein. Was, wenn sich unsere Misere nicht nur aus Kohlenstoff und Gier speist, sondern auch aus der Unfähigkeit, den Wald hinter lauter Bäumen zu sehen? Die Rede ist von „Disruptionen“, branchenübergreifenden Kaskadeneffekten – die bleiben hinter dem „Business as usual“ und mit dem Kopf im nächsten Quartalsbericht unerkannt.
Heute Disruption, morgen ein neuer Planet
Dass das Auto die Kutschenindustrie verdrängte, ist keine Disruption. Das es eine Gesellschaft innerhalb von zwei Jahrzehnten veränderte, schon. Dazu heißt es in der Studie (S. 51), übersetzt:
„Am Beginn des 20. Jahrhunderts konvergierten unterschiedliche Technologien, was innerhalb von etwa 13 Jahren die einst allgegenwärtigen Kutschen-Industrie zusammenbrechen ließ. Denn die Konvergenz führte unterschiedliche branchenübergreifende Innovationen in der Stahl- und Gummiproduktion, den Reifen, den Verbrennungsmotor und das Fließband zusammen, die schließlich die Herstellung erschwinglicher und leistungsfähiger Autos in großem Maßstab ermöglichten. Trotz der Hindernisse, die der Einführung des Autos im Wege standen – das Fehlen befestigter Straßen, von Lieferketten oder Mechanikern, von Fertigungskapazitäten und von Ölquellen und Raffinerien – führte die exponentielle Verbesserung der Kosten und Möglichkeiten dazu, dass sich das, was als Nische für eine Minderheit begann, rasch ausbreitete. (…) Am wichtigsten ist jedoch, dass das Auto nicht einfach nur ein Ersatz für Pferde war, sondern eine phasenweise Umgestaltung des Verkehrssystems bewirkte, die sich sektorübergreifend auf die Bereiche Lebensmittel, Energie, Information und Materialien auswirkte. Die neuen Möglichkeiten, sich schneller und weiter fortzubewegen und mehr Ladung zu transportieren, eröffneten endlose neue Marktchancen und veränderten die Landwirtschaft, den Einzelhandel und den Bergbau, die Siedlungsmuster und Pendlerströme, die Gestaltung und Struktur ganzer Gebäudekomplexe, die Konfliktmethoden, die Geopolitik und natürlich die Umwelt.“
Ein im Moment unmittelbareres Beispiel ist das Internet, in dem dieser Artikel zu lesen ist. Hurra! Hurra?
Zwischen Utopie und Dystopie liegt nur eine Disruption
Im Moment siehts so aus, als schlitterten wir in eine Kaskade negativer Tipping-Points und rutschen in eine Welt aus „Mad Max“ und „Bladerunner“. Wahrscheinlicher (laut RethinkX) ist aber dies:
„Solar, Wind und Batterien (SWB) werden Kohle, Öl und Gas verdrängen. Autonome Elektrofahrzeuge (A-EVs), die Transport-as-a-Service (TaaS) anbieten, werden Verbrennungsmotoren und den privaten Fahrzeugbesitz ablösen. Und die Präzisionsfermentation und zelluläre Landwirtschaft (PFCA) wird Fleisch, Milch und andere tierische Produkte ersetzen.”
Die derzeit bereits vorhandenen Lösungen in den Bereichen:
- Solar, Wind und Batterien (SWB)
- Autonome Elektrofahrzeuge (A-EVs),
- Präzisionsfermentation und zelluläre Landwirtschaft (PFCA)
führen – zwangsläufig – zu einer drastischen Reduzierung der Kohlenstoff-Emissionen. Um 2040 werden wir dann zusätzlich bereits vorhandenes Co2 aus der Atmosphäre filtern und so das dringend nötige Net-Negative Szenario erreicht haben. Das ist für die Meisten von uns deswegen unvorstellbar, weil wir einen Denkfehler machen: Wir denken linear (und können exponentielle Entwicklungen bzw. Disruption nicht begreifen:
„Die zentrale Herausforderung des Klimawandels ist die Denkweise, die die nichtlineare Natur, das Tempo und die Dynamik der Veränderung in den Erd- und Gesellschaftssystemen außer Acht lässt. (…) Herkömmliche Analysen und Szenarien neigen auch dazu, Auswirkungen zweiter Ordnung zu ignorieren, die sich auf die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft auswirken, und können daher das Spektrum der gesellschaftlichen Auswirkungen nicht vorhersehen. Technologien mit gleicher oder größerer Leistungsfähigkeit zu geringeren Kosten führen in der Regel zu einer Vergrößerung des Marktes, zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle und in vielen Fällen zur Entstehung völlig neuer Märkte. Infolgedessen werden die Geschwindigkeit, das Ausmaß und die Auswirkungen von technologischen Umwälzungen weithin unterschätzt.“ (S.12 im PDF)
Die Expert*innen von RethinkX sehen die Auswirkungen der drei oben genannten Schlüsseltechnologien wie folgt:
Solar, Wind und Batterien: Mehr Power als gedacht
Die Fossile-Energie-Erzeugung wird laut den Autor*innen unwirtschaftlich, denn die Kosten für Photovoltaik, Windkraft und Lithium-Batterien sind in den letzten zehn Jahren um 80%, 45% bzw. 90% gefallen. Ab 2030 werden die Erneuerbaren, herkömmliche Kraftwerke verdrängen und durch eine weitere drastische Effizienzsteigerung in der Erzeugung sowie der Speicherung von Energie, sollen wir in die Lage versetzt werden, im Moment viel zu teure und energieintensive Projekte umzusetzen. Dazu gehören Entsalzungs- aber auch Dekarbonisierungsanlagen. Dabei wird nicht nur das Co2 bei der unmittelbaren Energieproduktion gespart, sondern auch das, was derzeit beim Transport von Öl und Kohle freigesetzt wird.
Autonome Elektrofahrzeuge: Fahren schadet nicht
Schon jetzt sind Elektro-Autos im Betrieb günstiger und robuster als Verbrenner. Spätestens ab dem Ende der 20er Jahre werden keine Benziner mehr gebaut – weil es wirtschaftlich sinnlos geworden ist. Neben der (Wieder)Elektrifizierung des Autos erleben wir, dass das Auto „autonom“, „selbstfahrend“ wird – bzw. bereits ist. Dadurch wird der individuelle Besitz eines Autos unwirtschaftlich: Nahezu kostenlose Energie aus Erneuerbaren, eine lange Betriebszeit, autonom fahrend, so dass keine Lohnkosten anfallen, machen „Transportation as a Service“-Angebote um ein Vielfaches günstiger als den Besitz eines Fahrzeugs. Das gilt sowohl für den professionellen Sektor in der Logistik als auch im Privatbereich. „Transportation as a Service“ wird den Verkehr auf den Straßen drastisch reduzieren.
Präzisionsfermentation und zelluläre Landwirtschaft: Weiden zu Wälder
Nahezu alle tierischen Produkte von Fleisch bis Milch, werden durch Präzisionsfermentation ab 2030 fünf Mal günstiger als das Original von Rind, Huhn und Schwein. Ab 2035 sogar zehn Mal günstiger. Viehhaltung wird dann der Vergangenheit angehören, wodurch 80% der derzeit genutzten Weideflächen frei wird. Das entspricht der kombinierten Fläche der USA, Chinas und Australien. Auch ohne aktive Aufforstung, sondern allein durch passive Renaturierung werden so 20% der derzeit anfallenden C02-Äquivalente gespeichert. Diese Fermentationstechnologie wird auch den kommerziellen Fischfang und Aquakulturen obsolet machen – mit entsprechenden Co2-Reduktionen im Zusammenhang mit Treibstoff für die Fischereiflotten und Futtermitteln.
Bright new world?
Es kann also alles nur besser werden? Nein, die Autor*innen sehen die Gefahr, dass technische Machbarkeit und ökonomische Vernunft von Besitzstandswahrern und politischer Opportunität blockiert werden, wodurch wertvolle Zeit verloren geht. Das wird langfristig den Fortschritt nicht aufhalten, aber zwischenzeitlich zu ernsthaften Krisen führen, die für Million Menschen tödlich sind. Umso wichtiger ist, sich mit aller Kraft auf die entscheidenden Technologien zu konzentrieren und beispielsweise aufzuhören, fossile Energien zu subventionieren, Sackgassen wie der Wasserstoff-Technologie zu folgen und stattdessen mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien an den Tag zu legen. Der Investitionsstau in Deutschland und der ideologische Unsinn der Schuldenbremse, machen im Moment wenig Hoffnung, dass genau das passiert.
