Shilouetten von Menschen vor dem Hintergrund von Hitzelinien, die den Klimawandel symbolisieren.

Summer in the city 0f 2050

Schuhabdrücke im Asphalt. Symbolbild für die Stadt im Jahr 2050 mit unzureichenden Klimaanpassungen

Avisiertes 2 Grad Ziel? Glaubt eh keiner mehr dran. Es werden wohl eher drei oder vier. Die Sommer in den Städten werden für viele Menschen eine Frage um Leben und Tod. Denn wenn es im Umland „warm“ ist, ist es in den Städten um bis zu 10 Grad wärmer. Das liegt am „Wärmeinseleffekt“. Durch die Versiegelung, die Abwärme von Autos und Gebäuden und eine spärliche Vegetation staut sich die Hitze stärker als auf dem Land. Daher sind vielerorts inzwischen öffentliche Kühlräume notwendig – insbesondere für die Schwächsten der Gesellschaft, die sich keine Klimaanlage leisten können oder schlicht nichts haben, was sich klimatisieren ließe – also für Obdachlose. Aber was bedeutet ein „heißer Tag“ in der City? Definitiv kein Urlaubsfeeling.

Vorgeschmack auf die Zukunft

Wie der Sommer-Alltag in deutschen Großstädten im Jahr 2050 aussehen kann, nehmen jetzt schon Ballungszentren wie Phoenix, Arizona, USA und Kalkutta in Indien vorweg.

Im Sommer 2023 war die Stadt Phoenix immer wieder wegen täglich neuer Hitzerekorde in den Nachrichten und auch hier. Diese Rekorde erhitzen den Asphalt auf bis zu 82 Grad. Das wiederum führte zu schweren Verbrennungen bei Menschen, die auf den Straßen kollabierten. Die Behörden warnten davor, die Wohnung zu verlassen und ich denke an das Foto einer Frau, um die 60, die mit erschöpftem Blick in die Kamera schaut. Sie sitzt in ihrer Wohnung und berichtet, wie sie eigentlich nur für den Betrieb ihrer Klimaanlage arbeiten geht.

Klimakapitalismus

Die Klimaanlage ist ein Münzgerät, das sie regelmäßig füttern muss: keine Münzen, keine Kühlung. Eine andere Frau berichtet von ihrer Arbeit. Sie putzt Flugzeuge. Also macht sie in einem kurzen Zeitfenster nach der Landung sauber genug für den nächsten Start. Allein der Weg über den Asphalt des Flugplatzes zum Flugzeug ist eine Tortur. In den Flugzeugen selbst gilt der erste Blick zurückgelassenen Wasserflaschen. (Ich weiß leider nicht mehr, wo ich die Berichte gelesen habe).

Ein paar Monate zuvor, auf der anderen Seite des Globus, in Kalkutta, Indien. Hier führte ein dreitägiger Stromausfall während einer Hitzewelle zu Anwohnerprotesten. Die Demonstranten stürmten schließlich eine Mall, die weiter mit Strom versorgt wurde – und deshalb klimatisiert war. Es ging nicht, um die Plünderung von Geschäften. Es ging darum, der brutalen Hitze zu entkommen.

Gegen Dehydrierung hilft kein Biofleisch

Das Muster ist eindeutig: Es sind die finanziell Schwächsten, die am meisten für die Klimakatastrophe zahlen. Oder weniger verschwurbelt formuliert: Es ist die Arbeiterklasse, die für die „superyachtelnden“ Musks, Bezos, Klattens, Kühnes, Schwarz‘ dieser Welt buchstäblich ausgewrungen wird. Mit Verachtung begleitet von den selbsterklärten Leistungsträgern in CDU und FDP, mit ein bisschen Bauchschmerzen beäugt von jenen, die sich für was Besseres halten, weil sie ihre unabgefragte Flugscham mit Biofleisch sühnen. Teil der Lösung ist Polemik. Insbesondere, wenn sie wahr ist. Denn es ist ernst:

Bis 2050 wird zwei Drittel der Menschen in Städten wohnen. Da ältere Menschen und Kleinkinder besonders verletzlich sind, werden sich die Altersstatistiken der Hitzetoten im Norden (eher älter) und im Süden (eher jünger) voneinander unterscheiden. Gleichen werden sie sich in Bezug auf ihr relatives Einkommen –- eher ärmer. Wer es sich leisten kann, wird vom Kapitalismus nicht enttäuscht. Produkte von NORDBOK sind dann die längste Zeit Fiktion gewesen.

Klimakollaps und Klassenkampf

Ich imaginiere einen „Urban Food Safety Officer“, der am Wochenende emsig an seinem privaten Klimaschutzraum werkelt. Doch Spitzenpositionen im Hamsterrad werden immer unwahrscheinlicher. Die wirtschaftlichen Einbußen der Klimakatastrophe stellen das Aufstiegsversprechen deutlicher stärker in Frage als über 40 Jahre neoliberale Politik in Deutschland – federführend von CDU, SPD, FDP und GRÜNE. Weniger Lindner und Merz wagen – wird zur Überlebensfrage. Denn wenn ein Grundrecht auf 20 Grad Raumtemperatur und der damit verbundene gesellschaftliche Rahmen nicht Realität wird, sind die Chancen gut, dass „Thermo-Soziale Ausbeutung“ tatsächlich eine neue Kategorie in der Kriminalitätsstatistik wird. Die Frage ist, ob der Kampfgeist der Interessensvertreter von „arm und Mehrheit“ in den Verhandlungen mit den Verwaltern von „Upfuck, Verbrenn und ein Prozent“ weiter als zu einem „Recht auf Nachtschicht“ trägt? Vermutlich wird er sich in Grenzen halten. Man kennt sich. Man läuft sich in denselben Clubs über den Weg – teilt womöglich die Mitgliedschaft im selben BioDome Living. Aber wer wird denn seine eigene Bevölkerung im großen Stil dehydrieren lassen?

Die Zeiten ändern sich, die Gemüter werden robuster. „Rechtsruck“ ist ein anderes Wort für „Asozialisierung“ und das wiederum ist Ausdruck „schierer Verzweifliung“. Naturell-Frage, ob man glaubt, dass das Glas zukünftig noch halbvoller oder eher leerer wird. Die Ränder jedenfalls scheinen für die sich „Mitte“ Fantasierenden immer egaler zu werden. In USA und England, Länder also, in denen die „Asozialisierung“ noch weiter fortgeschritten ist als bei uns, kochen bereits Häftlinge in ihren nicht klimatisierten Zellen. Deutschland bleibt diese Grausamkeit vielleicht erspart. Das wäre gut, denn die Zellen werden trotz Demografie wohl nicht leerer. Denn mit der Hitze steigt die Kriminalitätsrate, insbesondere die Kurzluntigkeit für Gewaltverbrechen nimmt zu.

Denken wir an 2050 und an all die Produkte, die wir dann brauchen werden, fällt uns sicher noch eine Menge ein. Doch bei aller Faszination vor dem, was diese Abgründe hervorbringen, nagt doch eine Frage: Warum hassen die Angestellten von SHELL, EXXON, BILD und so ihre Kinder nur so sehr?