Eine Erwärmung um 4 Grad gegenüber dem vorindustriellen Level ist völlig akzeptabel. Denn die Kosten, diese Erwärmung zu verhindern, sind viel höher, als die Klimaschäden. 2018 ehrte die Schwedische Nationalbank den Ökonomen William Nordhaus für seine Studien zu den ökonomischen Folgen des Klimawandel mit dem Preis der „Schwedischen Nationalbank in Wirtschaftswissenschaft in Erinnerung an Alfred Nobel“.
Auflagenstarke Nachrichten-Magazine wie Zeit und Welt feierten diese Entscheidung als wichtiges umweltpolitisches Signal: Endlich geht der Handlungsdruck von einem nüchternen, Krawattentragenden Ökonomen aus und nicht von Links-Grün-versifften Hysterikern.
In der angelsächsischen Presse hielt sich die Begeisterung in Grenzen. (Zum Beispiel hier, hier und hier)
Nordhaus Annahmen über den Zusammenhang zwischen Klima und Wirtschaft sind mit so vielen Mängeln behaftet, das man sie nicht ernst nehmen sollte. Das sagt Joseph Stiglitz, der bereits 2001 mit dem Preis der Nationalbank geehrt wurde.
Doch Politik und Wirtschaft nehmen seine Arbeit ernst. Daher bezeichnet der Wirtschaftswissenschaftler Steve Keen Nordhaus schlicht als den „schlimmsten Feind des Klimas“. Denn seine Ideen sind maßgeblich in den European Green New Deal, dem Klimaschutzplan der EU, eingeflossen.
Das Problem mit Nordhaus ist weniger der Zynismus, der den Schutz von Lebensräumen, Artenvielfalt und Menschenleben einer wirtschaftlichen Logik unterwirft, nach dem Motto: 10.000 Hitzetote mehr im Jahr, rechnen sich besser, als 10k Hitzetote weniger. Problematisch ist, das es keine Logik zu geben scheint, mit denen er Schlüsse wie diese zieht:
- Vier Grad Plus ist die Optimal-Temperatur (Wobei nicht klar ist, ob er über Land „vier Grad“ meint oder global zwei Grad. Denn die Presse feierte ihn in Deutschland als Vater der zwei Grad Grenze – doch auf seiner Nobelpreisrede verweist er auf vier Grad.
- Eine Erwärmung um 3 Grad führt zu Einbußen von 2% des BIP
- Eine Erwärmung um 6 Grad verursacht nur ein Defizit von 8% des BIP
Die BIP-Einbußen beziehen sich auf einen 100 Jahreszeitraum. Heißt also: Pro Jahr gehts nur um 0.1% bergab. Da sind Klimainvestitionen teurer. Kleine Randnotiz: Bei vier Grad Plus steht die menschliche Zivilisation wie wir sie kennen auf dem Spiel. Laut IPCC Bericht der Gruppe I (Physikalische Grundlagen) ist das
„a level of heating that many scientists regard as a significant threat to civilization.“
Für Nordhaus schlägt die Existenzbedrohung unserer Zivilisation lediglich mit 8% zu Buche. (Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaftsleistung ging während Corona um knapp 5% im Jahr 2021 zurück. Ein Defizit von 8% sieht da nicht besonders wild aus.)
Warum?
Gerne möchte ich glauben, dass die Schwedische Nationalbank nicht von Reptiloiden unterwandert wurde aber wenigstens für Lobby-Arbeit unzugänglich ist. Daher hoffe ich einfach, dass ich etwas nicht verstanden habe und eine besserwissende Leserin mir auf die Sprünge hilft. Aber bis ich eines Überzeugenderen belehrt wurde, orientiere ich mich an der Kritik von Steve Keen. Der durch Bücher wie „The New Economics“, „Debunking Economics“ und seinen Podcast populär geworden ist.
Nordhaus bemisst die Schäden des Klimawandels absurd niedrig, weil er
- die zukünftige technologische Entwicklung viel zu optimistisch sieht. Deswegen ist es teurer heute zu handeln, als abzuwarten, bis die Technologie da ist, die Co2 aus der Luft absaugt. Die Kosten zur Milderung des Klimawandels werden also mit jedem Jahr geringer. Das heißt „Diskontierung“ („Entwertung“). Nordhaus diskontiert mit 3% p.A. (Zum Vergleich, eine von der britischen Regierung beauftragte Studie, legt eine Diskontierung von 0.01% an) [Zum Stern-Report auf Wikipedia und zu einem Artikel über die Diskontierung in der NY-Times Hier gehts zur einer gut verständlichen Erklärungen der Diskontierung im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe]
- in seinem Modell keine Schwellenwerte vorsieht (Ich benutze diesen Begriff, da der Begriff „Kipppunkt“ neuerdings falsch verstanden wird). Das bedeutet: Die Welt ändert sich in Nordhaus’ Modell entlang einer leichten Schräge, wobei jeder Schritt berechenbar auf den nächsten Folgt. Sich gegenseitig verstärkende Effekte durch zum Beispiel abgetaute Eisflächen, kommen in diesem Modell nicht vor. Nordhaus zu Folge bedeuten 6 Grad mehr, lediglich ein Defizit von 8% des BIP – über einen Zeitraum von 100 Jahren. Die Vorstellung, dass es dann keine Weltwirtschaft mehr gibt, existiert nicht. [Der Temperaturunterschied zur letzten Eiszeit beträgt 6 Grad. Dort wo heute Wirtschaftszentren wie Frankfurt oder London liegen, war eine kilometerdicke Eisschicht.]
- einen schrägen Sinn für Humor hat? Falls mir irgendjemand das, was jetzt kommt, erklären kann, ohne das ich zu einem anderen Schluss komme, freue ich mich: Nordhaus stellt fest, dass in den wirtschaftsstarken Ländern, der größte Teil der Produktion nicht vom Klima beeinflusst wird: Mikrochips werden unter kontrollierten Umweltbedingungen wie klimatisierten Räumen produziert, genauso wie teuere Herzoperationen nicht unter der prallen Sonne stattfinden. Geschützte Produktionsbedingungen gelten für mehr als 85% der US-Wirtschaft. Also ist die Wirtschaft dort „safe“. (Zumal man in Zukunft keine Nahrung mehr benötigt und Agrarwirtschaft somit keine Rolle mehr spielt) [Absatz zur „Enumerative method“ von Steve Keen und Nordhaus selbst auf S. 932 erster Absatz]
- einer abstrusen Methodik folgt. Wer wissen will, wie Wirtschaftsleistung und Klima miteinander zusammenhängen, kann einfach gucken, wie hoch das BiP von New York ist und es dann mit dem in Florida vergleichen. Die Differenz zeigt dann, was bei 3, 4, 5 Grad mehr (oder weniger) an Wirtschaftsgewinn oder Verlust zu erwarten ist. Auf diese Weise erklärt Nordhaus den zu erwartenden Gewinn bzw. Verlust klimatischer Veränderungen. [In diesem Paper von Keen, ab S. 5]
Die Annahmen von Wiliam Nordhaus sind also mindestens „kreativ“, skurril, schrullig. Perfekt also, um sich bei einem gepflegten Bier in entspannter Atmosphäre zu unterhalten. Problematisch ist aber, das sie die Basis für viele Klimaschutzprogramme wie dem Green New Deal der EU sind. Der größte Feind des Klimas?
Wie immer spiegelt dieser Artikel nur einen momentanen Wissensstand wider. Dieser kann sich mit neuen Informationen ändern. Das würde die Änderung dieses Artikel nach sich ziehen.
Wer tiefer eintauchen will, dem sei dieses PDF empfohlen.
Hier und hier gehts zu so informativen wie unterhaltsamen Videos mit Steve Keen über William Nordhaus. Und hier zu William Nordhaus Rede anlässlich der Verleihung des Preises der Schwedischen Nationalbank.
In dieser Artikelseriere werden die Annahmen des DICE-Modells, das die Basis von William Nordhaus Prognosen bildet, kritisiert.
Hier gehts zu einem positiven Artikel über das DICE Modell von Nordhaus und hier zu transkribierten Lecture Nordhaus anlässlich der Verleihung, in der er zur Kenntnis nimmt, dass die von ihm berechneten Schäden höher sein könnten.
