In der Horrorserie „The last of us” wird die Menschheit von einem tödlichen Pilz heimgesucht, der durch die Klimaerwärmung mutierte. Die Geschichte ist Fiktion. Das grundsätzliche Szenario aber nicht. Dazu gleich mehr.
Erst Hitzetote, dann Lottozahlen
In der Realität sterben bereits jetzt Hunderttausende and den mittel- als auch an den unmittelbaren Folgen der Erwärmung. Dazu berichtete das Deutsche Ärzteblatt am 15. November 2023. Aufhänger ist eine im The Lancet veröffentlichte Studie: „Wenn die globale Durchschnittstemperatur um knapp unter 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zunimmt, würde die Zahl der Hitzetoten weltweit bis Mitte des Jahrhunderts um 370 % steigen.“ Im Sommer 2022 starben in Europa 60.000 Menschen an den Folgen der Hitze.
Wir sprechen also von etwa 200.000 Menschen, die um 2050 jährlich an den Folgen der Hitze sterben, wenn die Temperatur unter 2 Grad bleibt, wonach es nicht aussieht. (Deswegen gibt es im Cassandra-Shop Produkte, mit denen man auch zukünftig draußen feiern oder sich länger auf der Straße aufhalten kann.) Betroffen sind insbesondere ältere Menschen und Kleinkinder. Wie sehr das Thema in der Berichterstattung angekommen ist und der Öffentlichkeit bekannt sein müsste, zeigt die Anzahl der Veröffentlichungen auf Tagesschau.de
Passieren tut … zu wenig. Stürben jährlich 60.000 Menschen –Tendenz steigend – an einer bisher unbekannten Krankheit und wären davon nicht „Randgruppen“ wie 65+ und Kleinkinder betroffen, führten die Statistiken ganz sicher zu stärkeren Reaktionen als zu Absichtsbekundungen: An einem Hitzschlag hat man doch irgendwie auch selbst schuld, mag ein Teil im Off des Gehirns denken – zu wenig getrunken, sich zu sehr der Sonne ausgesetzt – aber einem Virus oder einer Bakterie ist man machtlos ausgeliefert. Mein Tipp: Wir diskutieren dann anders über Tempolimit, autofreie Städte, das Gesundheitssystem … Und nun sind sie da, die Pilze.
Ein neuer Pilz in New York City
2016 wurden in New Yorker Krankenhäuser Candida auris Infektionen identifiziert. Dieser Hefepilz ist keine Bedrohung für gesunde Menschen und auch die Symptomatiken sind nicht eindeutig.
Aber: „Weltweit haben Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens wie die Centers for Disease Control (CDC) in den USA und das European Center for Disease Control (ECDC) vor C. auris gewarnt.“ (Deutsches Ärzteblatt) Denn:
„C. auris can cause a variety of infections from superficial (skin) infections to more severe, life-threatening infections. C. auris is the most dangerous when it causes invasive infections, such as bloodstream infections.“ (CDC)
Besorgniserregend sind zwei Dinge:
- Der Pilz ist gegen bisherige Behandlungsmethoden resistent.
- Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass er durch die zunehmende Erderwärmung mutierte und nun im warmen Klima des menschlichen Körpers leben kann. (fastcompany)
Möglich ist auch, dass das Candida auris in einer bisher nicht zugänglichen Nische heimisch gewesen ist und von dort auf Menschen übertragen wurde.
Ein alter Pilz in neuen Regionen
Klarer scheint die Sache hingegen bei Coccidiodomycosis zu sein. Dieser Pilz ist keine neue Bedrohung wie Candida auris, aber ein gutes Beispiel dafür, wie sich Krankheiten durch ein verändertes Klima ausbreiten. (Neben dem Dengue Fieber, „Knochenbrecher-Fieber“, zu dem ich gleich komme).
Der Pilz „Cocci“ lebt in Gebieten mit staubigen, warmen Flächen und tritt hier vor allem in Nagetieren, bzw. deren Kadavern auf. Denn der Pilz hat die Gene verloren, die andere Pilze zu Pflanzenfressern machen.
“These fungi evolved to eat animals” John W Taylor.
Menschen infizieren sich beim Atmen mit den Sporen des Pilzes. Eine Symptomatik ist Fieber, weshalb vom „Valley Fever“ die Rede ist. Betroffen sind jährlich Hunderttausende. Vor allem im Südwesten der USA sowie in Zentral- und Südamerika. Tödlich verläuft die Erkrankung in den USA in den wenigsten Fällen, was aber durch die hohe Zahl der Betroffenen dennoch in die Hunderte geht. Da den Bremsern einer konsequenten Klimapolitik die Wirtschaft ein so großes Anliegen ist (was in gewisser Weise auch richtig ist):
„Valley fever is responsible for substantial economic burden in Arizona.“
Denn
„Total lifetime costs of $736 million were estimated for the 10 359 cases of Valley fever diagnosed in Arizona in 2019.“ (Beide „National Library of Medicine„)
Was hat der Klimawandel damit zu tun? Die Kombination aus feuchten Wintern, Dürren und Waldbränden begünstigt die Verbreitung von „Cocci“. “The hardy spores can survive during extreme dry stretches then flourish into a kind of fungal superbloom during wet winters. When the ground eventually dries, spores start flying around, and cases take off.” (The Washington Post)
“Valley Fever”, das bisher ein Problem im Südwesten der USA gewesen ist, soll bis 2065 an der gesamten Westküste der USA auftreten. Durch die Klima-Erwärmung verbreitet sich der Pilz also nach Norden. Dies lässt sich auch bei Dengue Fieber beobachten und damit sind wir in Europa.
Dengue Fieber in Europa
Jährlich sterben etwa 20.000 Menschen an Dengue Fieber. Weit weg, in asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Dabei hat sich die Erkrankung seit 2000 verachtfacht, was auf den Klimawandel, die Mobilität und die Urbanisierung zurückgeführt wird. 2022 wurden weltweit 4.2 Millionen Fälle gemeldet. Dengue-Fieber wird durch Aedes aegypti übertragen. Durch die weltweite Erwärmung tritt diese Moskito-Art zunehmend in neuen Gebieten auf.
„Dengue fever will become a major threat in the southern United States, southern Europe and new parts of Africa this decade, the WHO’s chief scientist said, as warmer temperatures create the conditions for the mosquitoes carrying the infection to spread.“ (Reuters)
Es ist wahrscheinlich, dass diese Erkrankung, die oft symptomfrei, aber häufig eben auch ausgesprochen schmerzhaft verläuft („Knochenbrecher-Fieber“) in den USA, Europa und in noch mehr Regionen Afrikas, endemisch wird. Eine Behandlung im Fall einer Erkrankung gibt es nicht. Dafür gibt es allerdings einen Impfstoff – und der positive Aspekt daran ist die Hoffnung, dass es zu einer Art „Solidarität“ mit dem „armen Süden“ kommt, wenn diese Erkrankung nun auch im „reichen Norden“ auftritt. Die Realität wird vermutlich anders aussehen. Realistischer ist, dass Dengue sich auf die Tourismus-Industrie auswirken wird. Denn ein Feature von „Urlaub am Mittelmeer“ ist neben der schnellen, relativ günstigen Erreichbarkeit und europäischer Infrastruktur „Sonne, Strand und Meer ohne exotische Krankheiten“ – insbesondere für ältere Menschen und für Familien mit Kindern. Neben Dürren und der damit verbundenen zukünftigen „Verwüstung“ und jetzt schon spürbarer Wasserknappheit in Teilen der Mittelmeer-Region, werden neue Krankheiten zu weiteren Einbußen in der Tourismus-Industrie führen. (Dazu gibt es im Cassandra-Shop gleich drei Alternativ-Produkte: Neue Urlaubsangebote, der Hadsch in Zeiten der Klimakatastrophe und neue Urlaubsziele). Das ist aber das geringste Problem – solange man wie viele Menschen in Spanien, Italien und Griechenland nicht vom Tourismus abhängig ist.
Die Kur heißt „Solidarität“
Viel problematischer ist, dass Wasserknappheit und Ernteausfälle bereits zunehmen, was neben einer erhöhten Sterblichkeit zu erhöhten Mangelerscheinungen führt, die Erkrankungen noch wahrscheinlicher machen. Dabei sind die Gesundheitssysteme bereits völlig überlastet. Das kann eine Chance sein:
Bedrohungen nehmen zu. Betroffen sind wie in jeder Gesellschaft alle – die nicht „reich“ sind, die Mehrheit. Das kann den Druck auf EntscheidungsträgerInnen erhöhen, längst überfällige Reformen zum Beispiel im Gesundheitssystem anzustoßen: Bessere Bezahlung, eine, statt zig verschiedene Krankenkassen und eine am Menschen und nicht an der Profitmaximierung orientierten Krankenhausversorgung. Jedes Jahr werden die für den Menschen bedrohlichen Folgen der Erwärmung deutlicher. Es liegt an uns, die Zahlen, Daten, Fakten in spürbaren Druck auf Wirtschaft und Politik zu übersetzen. Alles andere macht krank.
